Offroad-Rollstuhl – was ist möglich, was ist erlaubt?
26. August 2022
Lesezeit: 7 Minuten
Zuletzt aktualisiert am 27. September 2023
Vom Schlafzimmer ins Badezimmer, von der Küche ins Wohnzimmer: Bist Du von einer Gehbehinderung betroffen, können selbst kürzeste Strecken zur Herausforderung werden. Um sich in den eigenen vier Wänden fortzubewegen, eignen sich Indoor-Rollstühle besonders gut. Klein, leicht und wendig sind diese Hilfsmittel. Ideal, um durch den schmalen Hausflur zu gelangen und so im vertrauten Heim selbstständig zu bleiben. Doch vor allem bei schönem Wetter treibt es viele nach draußen. Die Natur genießen, Spazierfahrten im Wald unternehmen und Orte erkunden, die nicht auf der Karte eingezeichnet sind – die Abenteuerlust treibt uns an. Bist Du gerne offroad mit Deinem Rollstuhl unterwegs, solltest Du wissen, was mit Deinem Hilfsmittel möglich und erlaubt ist. In diesem Artikel erfährst Du alles Wissenswerte rund um das Thema Offroad-Rollstuhl.
Was bedeutet eigentlich „offroad“?
Der Begriff offroad stammt aus dem Englischen und bedeutet wörtlich übersetzt „abseits der Straße“. Konkret ist damit gemeint, im Gelände sowie auf unbefestigten Wegen unterwegs zu sein. Dazu zählen Untergründe wie
Sand,
Schlamm,
Gras,
Stein,
Kies und
Holz.
Diese Bodenbeschaffenheiten findest Du beispielsweise am Strand, in Parks, im Wald, aber auch auf dem nahegelegenen Parkplatz – denn nicht jede Abstellmöglichkeit für Deinen PKW ist ordentlich gepflastert oder geteert. Schlaglöcher, in denen sich nach einem kräftigen Regenschauer das Wasser sammelt und Schotter machen das Befahren von Parkplätzen für Rollstuhlfahrer mit einem herkömmlichen Rollstuhl zu einem unangenehmen Erlebnis. Möchtest Du mit Deinem Rollstuhl offroad unterwegs sein oder auch im Alltag den Komfort dieser Modelle genießen, solltest Du die Unterschiede kennen.
Welche Modelle gibt es und was können diese?
Der Markt bietet verschiedenste Rollstuhl-Modelle und orientiert sich an den individuellen Präferenzen der Fahrer. Wir stellen Dir eine Auswahl der Rollstuhlarten vor, die für eine Offroad-Fahrt geeignet sind.
Handbetriebene Offroad-Rollstühle
Handbetriebene Geländerollstühle werden durch reine Muskelkraft angetrieben. Sie eignen sich für Personen, die eine gute Greiffunktion haben und den Rollstuhl aktiv verwenden, um körperlich fit zu bleiben. Zu erwerben gibt es beispielsweise Modelle mit einem Hebelantriebssystem.
Der Rahmen vieler handbetriebener Offroad-Modelle ist aus Aluminium gefertigt. Dies macht den Rollstuhl einerseits leicht, sorgt aber auch für die nötige Stabilität. Schließlich muss Dein Hilfsmittel viel aushalten, wenn Du über Stock und Stein fährst. Unebenheiten werden bei manchen Modellen durch große Mountainbikereifen und eine Federung abgefangen. Das grobe Profil der Reifen sorgt für Kontrolle – vor allem auf schlammigem Untergrund. So genießt Du auch bei einer Spazierfahrt im Wald Komfort.
Bei einigen Anbietern kannst Du sogar eine Wunschausrüstung zusammenstellen lassen und so Zubehöre wie eine Gepäckablage erwerben. Damit bist Du für längere Ausflüge bestens ausgerüstet und kannst z. B. Proviant bequem transportieren. Für ein solches Modell musst Du mit einem vierstelligen Betrag rechnen.
Elektrischer Offroad-Rollstuhl
Ein Offroad-Elektrorollstuhl wird – wie der Name schon vermuten lässt – rein elektrisch angetrieben. Es ist keine Muskelkraft notwendig, um den Rollstuhl zu manövrieren und die Natur zu erkunden. Vorteilhaft ist dies vor allem für Personen, die nicht über ausreichend Kraft verfügen, um von A nach B zu gelangen. Aber auch Personen, die im Alltag einen handbetriebenen Rollstuhl verwenden, profitieren von einem Offroad-Elektrorollstuhl: Vor allem bergiges Gelände kann dank Motor erkundet werden.
Gelenkt wird ein geländefähiger Elektrorollstuhl häufig über einen Motorradlenker. Du als Fahrer hast dadurch mehr Halt als bei der Steuerung über einen Joystick. Aber auch das Manövrieren mittels Joysticks ist bei vielen Modellen üblich.
Elektrische Modelle für den unwegsamen Außenbereich sind kostspielig: Du kannst mit Preisen um die 15.000 Euro rechnen.
Unser Tipp
Verfügt das Hilfsmittel der Wahl über eine Hilfsmittelnummer, kann es von Deiner Krankenkasse bezuschusst werden. Informiere Dich einfach bei Deiner Versicherung oder einem qualifizierten Berater im Sanitätshaus.
Segway-Rollstuhl – Ein spezieller Offroad-Rollstuhl
Manuell betriebene Geräte, wie auch Modelle mit einem elektrischen Antrieb, basieren auf unterschiedlichen Technologien. Beliebt sind beispielsweise Segway-Rollstühle. Ihr Vorteil liegt in der Wendigkeit. Damit sind schmale Pfade leicht passierbar. Durch Gewichtsverlagerung nach vorne, bewegt sich auch der Rollstuhl nach vorne. Je weiter Du Deinen Oberkörper nach vorne verlagerst, desto schneller fährt auch der Segway-Rollstuhl. Lehne Dich nach hinten, bremst Du bzw. fährst rückwärts.
Der Vorteil eines solchen Modells liegt in der aktiven Rumpfbewegung des Fahrers, wodurch die Stabilität erhöht wird. Voraussetzung für die Steuerung ist jedoch, dass der Fahrer über eine ausreichende Kontrolle seines Oberkörpers verfügt. Nicht zu unterschätzen ist der Kraftaufwand, der von Dir als Rollstuhlfahrer durch die aktiven Lenkbewegungen geleistet werden muss. Rollstühle mit einem Segway-Untersatz eignen sich u. a. für Menschen mit folgenden Krankheitsbildern:
Gehbehinderung
ALS
Multiple Sklerose (MS)
Tetraplegie und Paraplegie
Schlaganfall
Hüft- und Kniegelenksarthrose
Handbetriebener Geländerollstuhl mit Elektromotor
Der Markt bietet darüber hinaus Hybridmodelle: Nutzt Du lediglich den Elektromotor für den Antrieb, sorgt ein Lithium-Ionen-Akku für die nötige Power. Möchtest Du auch manuell Kraft aufwenden und von der elektrischen Unterstützung Gebrauch machen, kannst Du auch im Hybridmodus fahren – ganz nach Deinem Belieben und Deinen Bedürfnissen. So wird Dir eine noch angenehmere Fortbewegung ermöglicht. Gleichzeitig wird Dein Aktionsradius durch diese Art von Offroad-Rollstuhl erweitert. Diese speziellen Rollstühle können ab einem fünfstelligen Betrag erworben werden.
So vielfältig wie der Markt sind auch die Preise. Diese variieren je nach Ausstattung und sind z. B. abhängig von der Kapazität des Energiespeichers: Wählst Du ein Modell mit hoher Reichweite, musst Du auch bereit sein, mehr zu zahlen. Weitere Faktoren, die den Preis bestimmen sind u. a.
Hersteller,
Modelltyp,
Ausstattung sowie
technische Spezifikationen wie
Motorleistung,
Bremssystem,
Geschwindigkeit und die
Art der Lenkung.
Wir empfehlen Dir: Informiere Dich bei einem Fachhändler, um nicht den Überblick zu verlieren und auch das Modell zu finden, das Dein Vorhaben gerecht wird. In einem Sanitätshaus hast Du die Möglichkeit, die einzelnen Offroad Rollstühle Probe zu fahren.
Wo darf ich mit meinem Offroad-Rollstuhl unterwegs sein?
Einen manuellen Rollstuhl darfst Du überall dort nutzen, wo auch Fußgänger zulässig sind. Hast Du ein motorisiertes Modell, gilt dies laut § 1 Abs. 2 StVG als Kraftfahrzeug. Das bedeutet: Du unterliegst mit Deiner Mobilitätshilfe der Straßenverkehrsordnung und musst die einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften beachten (Seite 2 VdTÜV-Merkblatt Elektromobile Fahrzeug 761, Stand: 10.2009). In Schrittgeschwindigkeit, also mit maximal 6 km/h, darfst Du dort fahren, wo auch Fußgängerverkehr erlaubt ist. Achte auch hier darauf, die Geschwindigkeit den Gegebenheiten anzupassen.
Möchtest Du mit Deinem Offroad-Rollstuhl unwegsamere Wege z. B. Wanderpfade befahren, kläre zuvor mit Deiner Versicherung den Versicherungsschutz Deines Fahrzeugs ab. Allgemein gilt: Überschätze nicht die Fähigkeiten Deines geländegängigen Rollstuhls. Auch wenn Du Dich für ein Modell mit hochwertiger Ausstattung entscheidest, sind nicht alle Wege, die von Fußgängern erreicht werden können, gleichermaßen mit Deiner Outdoor-Mobilitätshilfe erreichbar. Schmale und steile Bergpfade solltest Du lieber meiden – denn nicht nur Dein Rollstuhl könnte Schaden nehmen.
Unser Tipp: Viele Reiseveranstalter bieten geführte Touren für Rollstuhlfahrer an. Informiere Dich doch einfach in Deinem Reisebüro um die Ecke oder im Internet über einen Ausflug mit Deinem Offroad-Rollstuhl.
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